The Walking Dead [Bd. 1-16] – Im Prozess

Allgemein

Die Reihe verzichtet darauf, durch  einen langsamen Einstieg die Geschichte zu entfalten, Personen einzuführen sowie die Tragweite der späteren Thematik darzustellen. Auf den ersten Seiten wird uns der Hauptprotagonist Rick als junger County-Polizist vorgestellt. Über seinen Alltag, seine Familie und seine Persönlichkeit erfahren wir jedoch erst im Laufe der Handlung mehr – hier allerdings bereits gebrochen durch die auf ihn einstürzenden Ereignisse. Denn sogleich, kaum dass wir ihn kennenlernen, wird er auch schon lebensbedrohlich angeschossen und erwacht in einem Krankenhaus; einsam und verlassen. Nicht ganz. Eigentlich beginnt die Geschichte erst mit dieser Szene und erinnert dabei stark an ,,28 Days Later“. Das Krankenhaus und alle Umgegend ist verwüstet, geplündert und verlassen; allein Zombies bevölkern die zivilisatorischen Überreste und trachten unserem Helden nach dem Leben. Durch glückliche Fügung findet er bei Atlanta seine Familie – seinen Sohn Carl und seine Frau Lori – wieder, die inwischen mit seinem ehemaligen Polizeikollegen Shane und ein paar anderen mehr schlecht als recht in der Wildnis kampieren.

Die Welt – zumindest die USA – ist innerhalb weniger Monate in ihren staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen zusammengebrochen; die Toten bevölkern sowohl die ehemaligen Zentren menschlichen Lebens – Städte, Dörfer, Häuser – als auch die umliegende Landschaft. Einmal gebissene oder verstorbene Menschen  mehren deren Reihen in der durchaus zielgerichtet erscheinenden Jagd auf alles menschliche Leben. Sich stellenden Fragen nach der Ursache und den Verlauf der Geschenisse gibt die Reihe nur vage Antwortmöglichkeiten – eine Infektion, aus dem Ruder gelaufene Experimente, das Jüngste Gericht – ohne eine Variante zu bevorzugen. Die Serie verfolgt das seit 1968 mit ,,Die Nacht der lebenden Toten“ eingeführte Genre der Zombiehorrorgeschichte. Der Reiz der bisherigen Handlung speist sich aus der Lesererwartung, dass die Überlebenden um den Protagonisten Rick beständig der Gefahr ausgesetzt sind, von Zombies umgebracht bzw. umgewandelt zu werden. The Walking Dead erfüllt in dieser Hinsicht jede Lesererwartung; gliedern sich doch die einzelnen Passagen des Comics in jene zwei Phasen, der akuten Bedrohung durch die eigentlich langsamen, aber trotzdem im Bedarfsfall flinken, mordlustigen Zombies, die mit viel Liebe zu Gore und Brachialität enthauptet gehören; und der Formierung, Besinnung und Erholung der Menschen innerhalb des sie umgebenden Weltuntergangs, um Hintergründe und Motive der Handelnden zu beleuchten. Der Leser findet sie ebenso wie die Protagonisten bald gefangen in einem Wirrnis aus rationaler und fiktiver Bedrohung. Die zumeist von außen erwartete Gefahr tritt schon sehr bald und wiederholt auch aus der eigenen, als Rückzugsort empfundenen, Leidensgemeinschaft hervor. Dem Leser erschließen sich hierbei teils früher potentielle Gefahren und Krisen, da er mit Einschränkungen die auktoriale Perspektive des Erzählers teilt.

Die erzählerische Handlung gliedert sich in zwei nicht bewusst getrennte Abschnitte, die durch Ort und Personenkonstellation voneinander zu scheiden sind. Verbindenes Element für diese Teile bildet der Protagonist Rick mit seinem Sohn Carl. In beiden Abschnitten geht es um die Etablierung eines Lebensumfeldes, umgeben und gestört von äußeren Gefahren. Zuerst erreicht die erste Gruppe um Ricks Familie ein verwaistes und weitgehend zombifiziertes Gefangenenlager, dessen Fortifkation in der Vergangenheit Ausbrüche, nun Einbrüche der menschenfeindlichen Umwelt verhindern und somit ein geregeltes Überleben gewährleisten soll. Allein vier ehemalige Häftlinge bilden den letzten Rest indigener Bevölkerung. Alles scheint sich positiv zu entwickeln, bis durch ein äußeres Ereignis ihre Existenz einer naheliegenden Menschensiedlung unter autoritärer Führung offenbar wird. Eine friedliche Koexistenz ist nicht möglich und der Kontakt endet in einem Blutbad; Rick und Sohn müssen viele andere Gruppenmitglieder – darunter seine eigene Frau mit dem neugeborenen Kind – im kampfverwüsteten sowie zombieüberrannten Gefängnis zurücklassen. Nach kurzer Odyssee durch die östlichen USA, mit einer neu gewachsenen Gruppe um Rick, erreichen sie Washington DC. Hier übernehmen sie nicht nur die örtliche Gemeinschaft, die sich innerhalb ein paar umzäunter Häuserzeilen ein friedliches Zivilleben erhalten hat, sondern im Gegensatz zum ersten Siedlungsversuch sind sie hier zunächst in der Lage, den durch Räuberbanden und Zombieansturm bestehenden Gefahren erfolgreich Widerstand zu leisten. Was in der ersten Hälfte bereits in Ansätzen vorbereitet wurde, soll hier nun in Angriff genommen werden: die Neugestaltung einer Gesellschaft.

Vom gelungenen Entwurf einer Postapokalypse

 

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